ESA-Astronaut Matthias Maurer gelandet

Von Ulrike Krings Rocha

Für ein halbes Jahr lebte der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer im All auf der ISS und führte über 100 Experimente in Schwerelosigkeit durch. Nach erfolgreicher Landung mit der Dragon-Kapsel vor der Küste Floridas ging es für den Astronauten weiter nach Köln.

Ankunft von Matthias Maurer am Flughafen Köln / Bonn. Bild: Ulrike Krings Rocha

Er ist zurück! Freudestrahlend steigt Matthias Maurer die Treppe des Flugzeugs herunter, mit dem er aus den USA auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln / Bonn gelandet ist. Von Müdigkeit keine Spur, obwohl das Flugzeug am Samstag den 7. Mai 2022 erst nach Mitternacht gelandet ist. Am Flughafen begrüßen ihn Verwandte, Freunde und Mitarbeitende. Sie jubeln ihm zu, heißen ihn mit kleinen Deutschland-Fähnchen willkommen. Maurer sei „sehr glücklich“ wieder zuhause zu sein. Die Umstellung auf die Schwerkraft sei anstrengend, er sei daher „noch etwas wackelig auf den Beinen“, beim Gehen merke er das ein bisschen. Die Schwerkraft bekam der Astronaut etwa eine halbe Stunde nach der Landung mit voller Kraft zu spüren.

Matthias Maurer berichtet kurz nach seiner Landung in Deutschland vom Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation ISS. Bild: Ulrike Krings Rocha

In 90 Minuten saust die Internationale Raumstation ISS einmal drum herum, Maurer faszinierte der Blick auf die Erde: „Das zeigt einem eigentlich wie klein die Welt ist“. Große Demut empfinde er für unseren Planeten: „Da sieht man wirklich, dass die Erde eine Kugel ist“. Vom Weltraum aus sei die „Schönheit zu sehen“, gleichzeitig sehe man „was die Menschen mit der Erde machen“. Tagebauten zeichnen sich ab, Ackerland und Gebiete, in denen der Regenwald abgeholzt wird. Der Folgen des Klimawandels seien von der ISS aus deutlich zu erkennen, berichtet Maurer. Maurer ist „sehr zufrieden, wie die Mission gelaufen ist“ und fügt hinzu: „Viele Menschen haben dazu beigetragen“. Wie geht’s für Maurer weiter? Erstmal „Füße hochlegen“ und „hoffentlich bald Urlaub machen“ sagt er und lächelt. Ein bisschen gedulden muss er sich bis dahin aber noch, denn erstmal geht seine Reise weiter zur Raumfahrtmedizin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.

Das so genannte Envihab am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln-Porz. Bild / Credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Ferien im „:envihab“?

Noch nicht ganz. Denn zuerst wird der Astronaut für ein paar Wochen im Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin des DLR (Deutsches Zentrums für Luft- und Raumfahrt) untergebracht. Im :envihab (Abkürzung stammt von den Worten „environment“ und „habitat“) wird er unter der Leitung  von Frau Dr. Melanie von der Wiesche medizinisch betreut. Er wird in einer „Art Ferienwohnung“ wohnen, berichtet sie in einem Video des DLR. Maurer darf Besuch von seiner Familie bekommen und wünscht sich Pizza und Salat für sein erstes irdisches Mittagessen. Sporteinheiten und Analysen zu Maurers Gesundheitszustand stehen für die nächste Zeit auf der Tagesordnung, Urlaub gibt’s also später. Die Untersuchungen und Sporteinheiten helfen dem Astronauten sich wieder ins Leben mit Schwerkraft einzufinden. Unter der Fragestellung  „wie kann der Mensch in komplexen Umgebungsbedingungen gesund und leistungsfähig bleiben“ fließen Maurers Ergebnisse mit in die Forschung der Luft- und Raumfahrt ein.

 

Wie geht Aufräumen im All?

Von Ulrike Krings Rocha

Links der Turnschuh, in der Ecke ein Pulli. Unterm Tisch das Schulheft, Eselsohren kringeln sich. Kekskrümel feiern Party auf dem Teppich und Lieblingsbuch trifft Kaugummi?

So war das früher in meinem Zimmer. Manchmal. Da hilft nur eins: Ordnung schaffen! Neulich (beim Saubermachen) hab ich mich gefragt: Wie geht Aufräumen eigentlich im All?

„Aufräumen und Ordnung halten funktioniert auf der ISS ganz anders als auf der Erde“

Wie geht Ordnung machen im All? Die Internationale Raumstation ISS kreist in 400 Kilometer Höhe um unseren Planeten Erde. Sie ist so groß wie ein Fußballfeld. Bild: ESA/NASA

Lothar Mies klärt uns im Video Call auf. Er arbeitet im Europäischen Astronautenzentrum und kennt die ISS so gut wie seine Westentasche. Lothar arbeitet als Ingenieur (sprich „Indschinjör“) im medizinischen Team der ESA (englische Abkürzung für European Space Agency). Dieses Team ist für Gesundheit und Wohlbefinden der Astronauten zuständig. Lothar schaut sich zum Beispiel Untersuchungsberichte der Belastung durch Mikroorganismen an und informiert das Ärzteteam darüber. Luft und Trinkwasser dürfen nicht zu stark mit Mikroorganismen belastet sein, da Menschen davon krank werden können. „Mirkroorganismen“ nennt man kleine Mini-Wesen, die man mit bloßem Auge nicht erkennen kann. Dies können Bakterien, Viren oder Pilze sein.

Ulrike: Sag mal, Lothar, müssen Astronautinnen und Astronauten auf der ISS auch ihre Zimmer aufräumen?

Lothar: Tja, das Wort „Zimmer“ hat auf der Raumstation eine ganz andere Bedeutung als auf der Erde. Astronauten haben zwar ein eigenes Zimmer, aber das ist winzig. Es ist eng wie in einer Fahrstuhlkabine. Astronauten haben nur wenig Gepäck dabei, wenn sie ins All reisen. Manchmal nehmen sie zum Beispiel Fotos mit oder kleine Maskottchen. Kleidung wird extra mit Versorgungsschiffen an Bord gebracht. Da es auf der ISS keine Waschmaschine gibt, sammeln Menschen auf der ISS benutzte Kleidungsstücke nicht zum Waschen. Getragene Kleidung entsorgen sie in Versorgungskapseln, wenn diese wieder von der Raumstation abdocken. Auf der ISS fällt in der Hinsicht weniger zum Aufräumen an als bei uns auf der Erde. Da auf der Raumstation Schwerelosigkeit herrscht, müssen Astronauten ihre Sachen immer irgendwo befestigen, zum Beispiel mit Klettverschluss oder Gummibändern. Sie können ihre Sachen nicht einfach auf den Tisch legen oder ins Regal räumen, sonst würden sie schweben.

Klein, aber fein: Der ESA-Astronaut Alexander Gerst schwebt in seiner Schlafkabine auf der ISS. Damit nichts herumschwebt, befestigen Astronautinnen und Astronauten auf der Raumstation alles mit Gummibändern (links im Bild) oder Klettverschluss. Bild: ESA/NASA

“Auf der ISS gibt´s Aufräumen nach Plan”

Ulrike: Was machen Raumfahrerinnen und Raumfahrer, damit Aufräumen mehr Spaß macht? Hören sie zum Beispiel Musik?

Lothar: Klar dürfen Astronauten Musik hören! Im All geht es aber nicht darum, ob man Lust hat Ordnung zu schaffen oder nicht. Auf der ISS gibt´s Aufräumen nach Plan, das ist ein fester Bestandteil im Arbeitsalltag an Bord. Auf der Raumstation gibt es viele Labore, in denen die Astronauten experimentieren. Dort ist Ordnung extrem wichtig, damit sie alles für die Versuche finden. Sie brauchen Werkzeuge und Messgeräte, die sie in Schränken, den so genannten Racks, verstauen. Oder sie packen die Dinge in Ordnungsboxen und Taschen mit Fächern, die sie verschließen können. Astronauten räumen immer sofort auf, sobald sie eine Sache erledigt haben. Es darf nichts im Weg sein. Ordnung an Bord der Raumstation ist sogar so wichtig, dass es eine eigene Ordnungseinheit am Boden gibt, das Inventory management system. Diese Gruppe schreibt auf, wo sich an Bord welches Teil befindet. Wenn die Astronauten auf der ISS etwas nicht finden, können sie die Ordnungsgruppe am Boden fragen. Im Notfall müssen Astronauten schnell an Feuerlöscher und Atemschutzmasken herankommen. Da dürfen sie nicht lange suchen. Das ist im Weltraum überlebenswichtig.

Ordnung auf engstem Raum: Der ESA-Astronaut Paolo Nespoli arbeitet am Experimentierschrank „Combustion Integration Rack“, an dem er Verbrennungsexperimente unter Weltraumbedingungen durchführt. Alles hat seinen Platz: Die  beiden Laptops (rechts) sind an der Wand befestigt, die Plastiktütchen (links) sind mit Klettband festgemacht. Nach der Arbeit verstaut Paolo wieder alles. Bild: ESA/NASA

„Jeden Samstag wird geputzt“

Ulrike: Muss auf der Raumstation auch geputzt werden?

Lothar: Also das Problem, dass man wie auf der Erde mit schmutzigen Schuhen von draußen reinkommt, hat man im All ja nicht. Aber auch eine Raumstation kann verschmutzen. Mikroorganismen kommen überall vor, das ist normal. Aber sie dürfen sich nicht zu sehr ausbreiten. Es passieren manchmal kleinere Unfälle mit Getränken oder mit Essen. Wie man unter Schwerelosigkeit isst und trinkt, müssen Astronauten nämlich erstmal üben. Wenn sie aus Versehen kleckern, können Essensreste oder Flüssigkeiten herumfliegen. Das müssen sie sofort reinigen. Im All gilt: Wenn man´s sieht, ist´s schlimm. Jeden Samstag wird geputzt, da packen alle Astronauten mit an, es gibt auf der ISS einen eigenen Staubsauger. Auch der Kommandant muss dann mal die Toilette putzen, die im All ja ein sehr technisches Gerät ist.

Vielseitig einsetzbar: Der ISS-eigene Staubsauger kommt nicht nur beim Putzen zum Einsatz, er unterstützt auch den Weltraum-Frisör. Auf der ISS verpassen Kosmonaut Anton Shkaplerov (oben) und NASA-Astronaut Terry Virts (rechts) der ESA-Astronautin Samantha Cristoforetti (links) einen neuen Haarschnitt: Einer saugt, der andere schneidet, Samantha hält den Kopf still – damit die Haare nicht in der Raumstation herumfliegen. Bild: ESA/NASA

Ulrike: Wo muss man auf der ISS besonders auf Sauberkeit achten?

Lothar: Besonders wichtig sind die Filter der Lüftungen. Die Luft wird auf der ISS ständig umgewälzt, damit sie gut durchmischt ist. Auch Staub muss abgefiltert werden. Diese Filter müssen regelmäßig gereinigt werden, da sie ein Nährboden für Bakterien und Pilze sein können. Auch Oberflächen müssen regelmäßig gesäubert werden, damit sich Mikroorganismen nicht ausbreiten können.

Fensterputzen im All: Der NASA-Astronaut Jack Fisher wischt über die Oberflächen der Cupola, dem kuppelförmigen Aussichtspunkt der ISS. Von dort aus können Weltraumreisende den Blick auf die Erde genießen. In diesem Fall macht der Astronaut nicht nur sauber, das Putzen ist hier Teil eines ESA-Experiments, in dem extremophile Organismen untersucht werden. (Extremophile: Organismen, die sich an extreme Umweltbedingungen angepasst haben.) Bild: ESA/NASA

„So schwebte die Tasche davon“

Ulrike: Wir auf der Erde verlieren manchmal Sachen und finden sie an den merkwürdigsten Orten wieder, zum Beispiel die Fernbedienung in der Sofaritze. Wo finden Astronauten Dinge wieder, die sie verloren haben?

Lothar: Für solche Fälle ist das Luftfiltersystem immer ein guter Ort, um etwas wiederzufinden. Da die Luft dort gereinigt und umgewälzt wird, bleiben dort kleine Dinge hängen. Es gibt aber auch Fälle, in denen es schwierig wird: eine Astronautin hat einmal bei einem Weltraumspaziergang ihre Werkzeugtasche verloren. Sie war, warum auch immer, nicht an ihrem Anzug befestigt. In diesem Fall darf man der Tasche nicht hinterherfliegen, weil man sich zu weit von der Station entfernen würde. So schwebte die Tasche davon.

Ulrike:  Oh je, die Tasche war also verloren…?

Lothar: … und wurde zu einem Satelliten, ja. (Gelächter vor beiden Bildschirmen)

Grüße vom Spaziergang im All: ESA-Astronaut Thomas Pesquet winkt bei seinem Weltraumspaziergang während der Alpha Mission im Juni 2021. Zusammen mit NASA-Astronauten-Kollege Shane Kimbrough installiert er im Außenbereich der ISS ausklappbare Solarzellen. Bild: ESA/NASA

Ulrike: Lothar, vielen Dank für das Gespräch und die Astronauten-Aufräum-Tipps! Ich denke ich werde mir zuhause auch ein „Inventory management system“ einrichten, für den Fall, dass die Fernbedienung wieder weg ist.

Lothar Mies, der Nussknacker-Astronaut und Ulrike beim Gespräch im Video Call. Lothar und Ulrike kennen sich aus der Zeit, als sie im Europäischen Astronautenzentrum der ESA ein Praktikum gemacht hat. BIG THANK YOU and greetings to EAC! Bild: Ulrike Krings Rocha

Abenteuer im All: Der deutsche Astronaut Reinhold Ewald erzählt

Von Ulrike Krings Rocha

Prof. Dr. Reinhold Ewald arbeitete im Jahr 1997 über zwei Wochen lang (18 Tage) auf der russischen Raumstation MIR. Der Name MIR bedeutet „Frieden“ oder „Welt“.

Aktuell ist er Professor für Astronautik und Raumstationen an der Universität Stuttgart.

Die deutschen Astronauten Reinhold Ewald und Klaus-Dietrich Flade 1992 beim MIR-Training, Bild: picture-alliance/RIA Nowosti/DLR

Am 17.05.2019 hielt er für die Volkssternwarte Köln-Sülz einen Vortrag im Physikalischen Institut der Universität Köln. Neben einem Zukunfts-Ausblick zur Raumfahrt zeigte er beeindruckende Bilder von seinen Erlebnissen und der Arbeiten auf der Raumstation MIR.

Die Raumstation MIR mit angedocktem Space Shuttle über der Erde im All, Bild: NASA

Blutabnahme im All

An Bord der MIR führte Reinhold Ewald viele biologische und medizinische Experimente durch. Außerdem erforschte er verschiedene Materialien. Auf einer Raumstation herrscht die ganze Zeit über Schwerelosigkeit, im Gegensatz zu uns auf der Erde, wo wir die Schwerkraft haben.

Reinhold Ewald während der Mission MIR ´97 bei medizinischen Versuchen, Bild: DLR

Auf einer Raumstation ist alles anders als auf unserem Planeten: es gibt unter Schwerelosigkeit kein oben und kein unten, weil alles schwebt, und zwar die ganze Zeit! Aus diesem Grund ist eine Raumstation ein ideales Labor, um wissenschaftliche Forschung zu betreiben, ohne dass die Schwerkraft „dazwischen funkt“. Wissenschaftler betreiben im All die sogenannte Grundlagenforschung: sie schauen zum Beispiel, wie Abläufe im Körper von Tieren und Pflanzen ohne den Einfluss der Schwerkraft funktionieren oder was unterschiedliche Materialien machen, wenn sie den ganzen Tag lang herumschweben. Diese Dinge zu erforschen ist wichtig, um Materialien zu verbessern, z.B. um leichtere Autos oder leichtere Flugzeuge zu bauen, was Energie spart. Die Forschung in den Naturwissenschaften trägt dazu bei, auf der Erde gezielt Medikamente zu entwickeln oder sie zu verbessern.

„Wir hatten beim Start den Helm geschlossen“

Wie geht es einem Astronauten während des Starts in der Rakete und wie lange dauerte die Reise zu einer Raumstation? Diese und andere Fragen beantwortete Herr Ewald nach seinem Vortrag in einem Interview im Hörsaal 2 des Physikalischen Instituts der Universität Köln.

Beim Interview mit Reinhold Ewald, Bild: Karsten Kopp

 „Wie laut ist der Raketenstart, wenn man in der Rakete sitzt“, starte ich das Gespräch. „Beim Start hört man gar nichts,“ antwortet er. Verblüffend! Ich hatte angenommen, dass man sich beim Start in einer Rakete am liebsten die Ohren zuhalten möchte vor Lärm. Reinhold Ewald hat den Raketenstart erlebt: er saß in der Sojus-Rakete, die das gleichnamige Sojus-Raumschiff ins All transportierte. Der Countdown läuft, es geht los:

Die Sojus-Rakete startet ins All, Bild: ESA – S. Corvaja

„Wir hatten beim Start den Helm geschlossen und man hörte das Rauschen des Lebenserhaltungssystems, das im Anzug ventiliert und wir hatten Kopfhörer auf“, berichtet er. „Unter einem grummelt etwas, da ist dann so ein Grollen.“ Gebannt höre ich zu, Umstehende kommen näher, um mitzuhören, worüber Herr Ewald so packend berichtet. „Vielleicht gibt es auch ein metallisches Klacken, wenn die Haltevorrichtung weggeht,“ fährt er fort. „Aber die Tatsache, dass wir ins All gestartet sind habe ich erst durch das Anwachsen der Beschleunigung gemerkt. Wenn man den Arm hochgehoben hat, merkte man das.“ Der Arm und der Rest des Körpers fühlen sich dann nämlich viel schwerer an als auf der Erde. Das hat damit zu tun, dass die Menschen in der Rakete nicht so schnell sind wie die Rakete, sie sind „träge“. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch das Wort für den Physikunterricht merken. Das kennt Ihr vielleicht vom Autofahren, wenn Eure Eltern auf der Autobahn beschleunigen, also schneller fahren: es fühlt sich so an, als würde man in den Sitz gepresst werden. Herr Ewald erzählt weiter vom Raketenstart: „Es tickt noch eine Uhr, ansonsten hat man keinerlei Orientierung, dass es jetzt auch wirklich losgegangen ist ins All.“ Erst wenn die Beschleunigung des Raumfahrzeugs aufhört, fängt man an zu schweben, dann ist man schwerelos.

 „Bloß nichts falsch machen“

„Wie fühlten Sie sich beim Start der Rakete?“ – „Angespannt natürlich,“ sagt er. „Man hat darauf hintrainiert und jetzt will man nichts falsch machen. Bei der Generalprobe ist mir ein Haltegurt aus der Halterung gerutscht. Das war eine Riesenarbeit den da wieder „reinzufummeln“ in der Situation, in der Enge der Kapsel mit dem Raumanzug.“ Er grinst und fügt hinzu: „Also bloß nichts falsch machen! Das ist uns auch gelungen.“

Reinhold Ewald beim Training für die Mission MIR´97, Bild: dpa/DLR

„Sich die Zeit nehmen, um mit dem unbewaffneten Auge zu sehen“

„Wie fühlten Sie sich, als Sie das erste Mal die Erde vom Weltraum aus gesehen haben“, frage ich ihn. „Vor-sich-tig“, betont er das Wort behutsam und schmunzelt. „Die neuen Flieger werden immer gewarnt, dass die Raumkrankheit einsetzt, wenn man die Erde in ungewöhnlichen Positionen sieht: wenn die Erde zum Beispiel über einem ist oder unter einem drunter wegrollt. Das verstärkt dann diese Raumkrankheit.“ Alles ist in Bewegung, wenn man eine Raumstation betritt. „Ich war nie ein Held auf dem Drehstuhl oder bei sonstigen Karussell-Erfahrungen, insofern war ich da sehr vorsichtig,“ erinnert er sich. „Aber mir ist es gut gegangen, wie man darauf reagiert, kann man nicht voraussagen. Das hat mich dann ermutigt die Erde schon gleich während des Fluges von der Sojus-Raumkapsel aus zu betrachten.“

Das Sojus-Raumschiff bringt die Astronauten zur Raumstation, es können drei Astronauten in der Kapsel sitzen. „Ich saß rechts im Raumschiff an einem kleinen Fensterchen und hatte eine Digitalkamera dabei.“ Gedanklich schwebe ich mit den Astronauten in der Raumkapsel und schaue mit ihnen aus dem kleinen, runden Fenster. „Alles was man sieht, möchte man mitnehmen, möchte man zuhause zeigen, findet man wichtig.“ Seine Augen leuchten: „Manchmal muss man sich die Zeit nehmen, um mit dem unbewaffneten Auge zu sehen. Aurora borealis, die Polarlichter, das sind wunderschöne Vorhänge von Licht mit ganz zarten Farben. Da sah ich mich nicht in der Lage das mit der Kamera festzuhalten, das habe ich sozusagen für mich abgespeichert.“ Nicht alle Augenblicke im Leben kann man mit Fotos festhalten, man muss sie einfach erleben.

Polarlichter über der Erde, Bild: ESA/NASA

Macht´s gut und danke für den Fisch!

Das ist der Titel eines Buchs aus der Romanreihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams, in dem ein Mensch zu spannenden Abenteuern ins All aufbricht. Die Ausstattung in den ausgedachten Raumschiffen der Bücher ist zum Teil luxuriös. Ist das in der Wirklichkeit auch so?

Herr Ewald erzählt von seiner zweitägigen Reise zur MIR: „Die Reise dauert zwei Tage. Und das in einer kalten und sehr engen Kapsel – also es war kein Spaß.“ Vor ein paar Jahren hat Herr Ewald mir mal beschrieben, dass das Sojus-Raumschiff nur so groß wie ein Altglascontainer ist. Es passen nur drei Astronauten eingehüllt in ihren Raumanzügen hinein, plus ihrer Ausrüstung.

„Die Ausstattung an Bord ist sehr bescheiden,“ erinnert er sich: „Wir hatten gerade mal lauwarmes Wasser zum Trinken und als dann einer meiner Kollegen auch noch eine Fischbüchse aufmachte zum Frühstück, die uns da mitgegeben worden war, war ich froh, als wir angekommen waren.“ Wir lachen. Ernster fügt er hinzu: „Das ist wirklich kein Touristenschiff, sondern nur Mittel zum Zweck, um anzukommen.“ Für Astronauten gibt es keine Extrawürstchen: „Raumfahrt ist hart,“ sagte er in seinem Vortrag vor dem Interview.

Das Sojus-Raumschiff besteht aus drei Teilen: links im Bild sieht man das rundliche Orbital-Modul, mittig das Lande-Modul mit einem Fenster, in dem die Astronauten beim Start sitzen und das zur Erde zurückkehren wird. Im hinteren Teil des Raumschiffes (rechts im Bild) befindet sich das Instrumenten-Modul mit den Solarpanelen, das von den Astronauten nicht betreten werden kann. Bild: NASA

 „Wir haben in dem Moment alle richtig reagiert“

„Für einen Raumflug müssen alle Astronauten ein jahrelanges Training durchlaufen. Es werden immer wieder Notfallsituationen durchgespielt, damit Raumfahrer im Ernstfall wissen, was in gefährlichen Situationen zu tun ist. Gab es trotz der guten Vorbereitung eine Situation, mit der Sie nicht gerechnet hätten“, frage ich. „Ja eigentlich haben wir durch das Training eben alle Notfallsituationen durchgespielt und darunter auch ein Feuer,“ sagt er. „Das ist natürlich nichts, was man in Betracht zieht, aber wir haben in dem Moment alle richtig reagiert.“

Feuer in einer Raumstation ist äußerst gefährlich. „Ich habe das Feuer als erster gesehen“, erinnert er sich. „Ich habe nicht auf Deutsch oder Englisch „Feuer“ gerufen, sondern „ogon´“, also auf Russisch, und damit meine Kollegen gewarnt.“ Erneut bin ich in Gedanken an Bord mit dabei und schwebe inmitten des Qualms, den das Feuer erzeugt. „Alle haben sofort zum Selbstschutz die Gasmasken aufgesetzt. Ich begab mich in mein Schlafmodul, weil ich wusste, dass da an der Wand eine Gasmaske ist. Ich nahm nicht die erstbeste Gasmaske, weil die für einen anderen Astronauten bestimmt war. So haben wir uns versammelt und versucht mit den Bordmitteln das Feuer zu löschen. Das ist uns nach einigen langen Minuten gelungen.“

Feuerausbruch auf der MIR: die Astronauten tragen Atemschutzmasken, Bild: aus dem Vortrag von Reinhold Ewald / Karsten Kopp

Er erzählt so packend, dass alle Umstehenden für einen Moment ganz still werden: „Dann hatten wir es mit einer völlig vernebelten Atmosphäre zu tun. Daran denkt keiner: auf der Erde macht man das Fenster auf oder geht aus dem Haus raus. An Bord der Raumstation muss man das auch noch in Angriff nehmen. Das haben wir den Rest der Nacht dann versucht.“ Es herrschte für etwa eine Stunde völliger Ausnahmezustand auf der MIR. Laut spreche ich aus, was mir als erstes in den Sinn kommt: „Das war sehr mutig.“ Denn die Astronauten hätten die Raumstation auch verlassen können, es war schließlich eine extreme Notsituation eingetreten. Die Besatzung der MIR hat sich damals entschieden zu bleiben, sie haben dadurch die Raumstation gerettet.

Derartige Szenarien werden auf der Erde im Training dutzendfach geprobt. Je vertrauter man mit einer Gefahren-Situation ist, desto besser kann man damit umgehen – bis jeder Handgriff sitzt. Nur dann ist man in der Lage während Notsituationen einen klaren Kopf zu bewahren und die Situation zu bewältigen.

Danksagung

Im Namen der Volkssternwarte Köln-Sülz bedanken wir uns ganz herzlich bei Prof. Dr. Reinhold Ewald für den hoch interessanten Vortrag und das spannende Gespräch!

Reinhold Ewald und Ulrike Krings Rocha nach dem Interview zu fortgeschrittener Stunde gegen 22:00 im Hörsaal 2 des Physikalischen Instituts der Universität Köln, Bild: Karsten Kopp

Die „Sojus-Kapsel“ zum Selberbauen!

Setzt euch zu dritt so dicht nebeneinander hin wie es geht und zieht die Knie an, so ähnlich sitzen die Astronauten in Wirklichkeit auch in der Kapsel. Türmt neben und über Euch Decken, Kissen, eure Schulsachen, inklusive Rucksäcke und Winterjacken auf – bitte die weichen Sachen nach oben packen, damit sich niemand wehtut. Die „Wände“ eurer Raumkapsel können zum Beispiel große Sofakissen sein, die ihr eng neben euch aufstellt. Ihr könnt auch andere weiche Sachen verwenden, die ihr zuhause findet.

So könnte eure eigene Sojus-Kapsel aussehen! Bild und Idee: Ulrike Krings Rocha

Fertig? Dann könnt Ihr Euch ungefähr vorstellen, wie eng es da drinnen ist! Die Astronauten liegen übrigens beim Start fast in ihren Sitzen, so ähnlich wie beim Zahnarzt. (Wenn ihr das nächste Mal auf dem Zahnarztstuhl liegt, könnt ihr daran denken, dass es fast so ist, als würdet ihr in einer Sojus-Kapsel sitzen – dann ist es vielleicht nicht mehr ganz so schlimm, wenn der Zahnarzt mal bohren muss!)

Astro-Alex ist wieder da!

Rückkehr aus dem All: Astro-Alex ist wieder da!

Ulrike Krings Rocha

Um kurz vor 6:00 Uhr klingelt am 20.12.18 mein Wecker. Es ist Donnerstagmorgen. Ich möchte gerne weiterschlafen, aber das geht nicht. Ich muss dringend nachsehen, ob der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst mit seinen beiden Kollegen die Internationale Raumstation ISS wie geplant verlassen hat und ob alle wohlbehalten auf der Erde gelandet sind. Also springe ich aus dem Bett und schalte den Computer an. Ich surfe auf die Homepage der NASA, auf der ein Live-Stream alles über die Rückkehr zu mir ins Wohnzimmer überträgt. Gebannt sehe ich, dass die Kapsel bereits sicher auf dem Erdboden steht. Hochkant hat sie aufgesetzt, irgendwo in der weiten Kasachischen Steppe. Der erste Astronaut steckt bereits seinen Kopf durch die Luke. Die Öffnung der Sojus-Kapsel ist rund und eng, die Luke geht nach innen auf. Die Raumfahrer müssen nacheinander aus dem kleinen Raumschiff herausgezogen werden, was nur so groß ist wie ein Altglascontainer.
Astro-Alex wird von den Helfern als Letzter aus der Landekapsel in Empfang genommen. Er setzt eine Mütze auf den Kopf. In Kasachstan herrschen Minusgrade, es liegt Schnee. Alle drei Astronauten sind wohlauf. Ich bin verblüfft wie fit Alexander Gerst so kurz nach der Landung ist. Die Reise zurück zur Erde ist für Raumfahrer sehr anstrengend. Der Kapsel-Aufprall auf der Erde muss sich so ähnlich anfühlen wie ein Unfall zwischen einem LKW und einem PKW bei hoher Geschwindigkeit – die Astronauten sitzen bei diesem Vergleich übrigens im PKW. Nach wenigen Minuten gibt Astro-Alex bereits sein erstes Interview für die anwesende Presse. Er spricht über den Geruch des Schnees und der Erde, den er über ein halbes Jahr lang nicht gehabt hat. Man sieht ihm an, dass er glücklich ist wieder auf der Erde zu sein.
Die drei Astronauten sind bereit für den Weiterflug in ihre Heimatländer, wo sie in den kommenden Wochen und Monaten Rehabilitationsmaßnahmen mit viel Sport und medizinischen Untersuchungen durchlaufen werden.

Am Landeplatz in der Steppe gibt Alexander Gerst sein erstes kurzes Interview (links). Mit ihm gelandet sind seine amerikanische Kollegin Serena Auñón-Chancellor (rechts) und der russische Kollege Sergei Prokopiev (mittig). Im Hintergrund steht die Kapsel unter einem Gerüst. Bild: NASA – B. Ingall

Willkommen zuhause: Astro-Alex landet auf dem Flughafen Köln-Bonn
Von Kasachstan aus geht die Reise für Alexander Gerst weiter über Norwegen zum Flughafen Köln-Bonn. Das Flugzeug soll auf dem militärischen Teil des Flughafens landen. Es sind viele Leute gekommen, um den deutschen ESA-Astronauten zu begrüßen, darunter Freunde, Kollegen und Leute von der Presse. Wir begeben uns zu einem gekennzeichneten Teil des Rollfeldes, während sich aus der Ferne das Flugzeug nähert. Aufgeregt plaudern alle miteinander. Die Maschine landet und rollt in seine Standposition direkt vor uns. Alle schauen erwartungsvoll zum Flugzeug hinüber. Es ist ganz still, als sich die Flugzeug-Tür öffnet. Sportlich steigt Astro-Alex die Treppe am Flieger herunter. Alle staunen, denn das ist eine ganz schöne Leistung, wenn man gerade einen halbjährigen All-Aufenthalt hinter sich hat. Auf der ISS herrscht Schwerelosigkeit, so dass immer alles schwebt. Auf der Erde hingegen herrscht die Schwerkraft. Wenn ein Raumfahrer wieder auf der Erde landet, muss sich der Körper wieder umstellen. Das ist so ähnlich wie bei Seeleuten, die nach vielen Monaten auf See wieder an Land kommen. Herr Gerst hat sich offenbar sehr schnell umgewöhnt, er schwankt nicht das kleinste bisschen! Mit großem „Hallo“ wird Astro-Alex begrüßt und nimmt sich Zeit, ein paar Fragen zu beantworten. Er berichtet, dass die Landung besser war als seine Letzte, es war wie man so schön sagt eine „Bilderbuch-Landung“. Wenn man auf der Erde landet, fühlt es sich wegen der Schwerkraft auf einen Schlag an, als hätte alles das Vielfache seines eigentlichen Gewichts. So fühlt sich sein Handy zum Beispiel an „wie mit Blei gefüllt“, berichtet er.
Obwohl leichter Nieselregen einsetzt, empfindet er das Wetter als sehr angenehm: „Ich rieche den Boden und den Regen, ich mag das total, darauf habe ich mich gefreut!“ Was er sagt rührt mich, denn darüber habe ich noch nie nachgedacht. Stellt euch vor, wie es wäre über ein halbes Jahr lang kein Wetter zu haben, keine Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren. Aus der Sicht eines Astronauten, der viele Monate lang fern unseres Planeten gelebt hat, führt uns Alexander Gerst vor Augen wie schön und besonders unser Planet ist – sogar wenn es regnet. Daran denke ich jetzt immer, wenn ich meinen Schirm vergessen habe.

Astro-Alex gibt ein Interview am Flughafen Köln-Bonn. Bild: ESA – J. Harrod

Arbeiten und Leben auf der ISS: Alexander Gerst erzählt
Zwei Tage nach seiner Rückkehr zur Erde, am Samstag, den 22.12.2018, erzählt Astro-Alex auf seiner ersten großen Pressekonferenz was er alles auf der Internationalen Raumstation ISS erlebt hat. Die Pressekonferenz findet im Europäischen Astronautenzentrum in Köln statt.
Maus und Elefant aus der „Sendung mit der Maus“ waren natürlich wieder mit dabei auf der Raumstation, oben im Weltraum. Wie ist es ihnen ergangen? Sie sind wohlauf, die Maus ist mit Astro-Alex zusammen im Sojus-Raumschiff zur Erde zurück gereist, der Elefant „hat Verlängerung beantragt, der fliegt in einem SpaceX 16 Transporter zurück, der war zu schwer für die Sojus,“ erzählt uns Astro-Alex schmunzelnd. Im Februar werden alle vereint sein, Maus, Elefant und Astro-Alex. Auch die Ente wird dabei sein, die vom Boden aus „mitgefiebert“ hat, fügt er hinzu.
Astro-Alex ist selber überrascht wie schnell er sich wieder an die Bedingungen auf der Erde gewöhnt hat. Das Gleiche gilt auch für den umgekehrten Fall, nach einer Reise in den Weltraum. Bei seinem zweiten Besuch auf der ISS ging die Umgewöhnung an die Schwerelosigkeit sogar schneller als beim ersten Mal. Er stellt fest: „Das ist wie Fahrradfahren, das verlernt man nicht.“ Alex hat durch intensives Sporttreiben auf der Raumstation noch mehr Muskelmasse aufbauen können. Viel Sport ist für Raumfahrer notwendig, weil sich unter dem Zustand der Schwerelosigkeit die Knochen und Muskeln schneller abbauen als auf der Erde. Er rät: „Das Sportprogramm sehr ernst nehmen.“ Über Weihnachten hat Alexander Gerst ein paar Tage frei. Er nimmt sich vor „Liegestütze unterm Weihnachtsbaum“ zu machen, denn auch zuhause auf der Erde muss das 2- bis 3-stündige tägliche Sportprogramm weitergehen.

Alexander Gerst erzählt von seinem Arbeitsplatz im All. Bild: ESA – I. Kapusniak

Ohne Kollegen auf der ganzen Welt gäbe es keine ISS
Alexander Gerst bedankt sich bei allen Mitarbeitern des Europäischen Astronautenzentrums und den internationalen Partnern: „Raumfahrt ist eine Gesamtleistung des Teams,“ sagt Astro-Alex. Ohne die durchgehende Betreuung durch Kollegen am Boden würden die Menschen auf der Internationalen Raumstation weder wissen, wie man die Experimente durchführen kann, noch was in Notsituationen zu tun ist. Er fügt hinzu:„Man kann nicht mal eben zum Baumarkt fahren, wenn etwas nicht passt“. Wohl wahr.
Wenn wir zusammenarbeiten, erreichen wir mehr. Ein Land alleine könnte sich niemals eine solch große Raumstation leisten. Internationale Projekte stellen mit den unterschiedlichen Kulturen der Partner eine Bereicherung dar, weil wir alle voneinander lernen können, weiß Herr Gerst. Die Crew-Mitglieder auf der ISS stammen aus den verschiedensten Ländern unseres Planeten und arbeiten und leben im Weltraum friedlich miteinander zusammen. Sie gehen mit gutem Beispiel für das Leben auf der Erde voran. Wusstet ihr übrigens, dass ein Kosmonaut das gleiche ist wie ein Astronaut? „Kosmonaut“ sagt man in Russland, in Europa sagen wir „Astronaut“.  Und seitdem China auch Raumfahrer hat, kommt ein neuer Begriff hinzu: „Taikonaut“.