MASCOT – kleine Super-Box im All
Ulrike Krings Rocha
Unsere Welt hört beim Himmel nicht auf. Hinter der Lufthülle unseres Planeten, der Atmosphäre, beginnt das Weltall. Da unsere Erde ein Teil des Weltraums ist, sind wir neugierig auf unsere kosmische Nachbarschaft und erkunden sie. Nicht weit von uns entfernt gibt es zum Beispiel Asteroiden in unserem Sonnensystem. Asteroiden sind große Gesteinsbrocken, die im All herumfliegen. Noch können keine Menschen diese Felsen erkunden, weil sie zu weit von uns entfernt sind. Also schicken wir Maschinen hin.
Am 3.10.2018 landete der kleine Roboter namens MASCOT erfolgreich auf dem Asteroiden Ryugu. Er ist so groß wie ein mittelgroßes Post-Paket und wiegt nur knapp 10 kg. Der Name „MASCOT“ ist eine englische Abkürzung und steht für „Mobile Asteroid Surface Scout“, was etwa „Beweglicher Asteroiden-Oberflächen-Erkunder“ bedeutet. Der Roboter MASCOT wurde zusammen mit der französischen Weltraumagentur CNES am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt.


Bild: JAXA, University of Tokyo, Kochi University, Rikkyo University, Nagoya University, Chiba Institute of Technology, Meiji University, Aizu University, AIST.
Los geht’s: Eine Raumsonde nimmt MASCOT huckepack!
Für die lange Reise zum Asteroiden benötigte MASCOT eine Raumsonde. Du kannst dir diese Sonde wie eine Art Rucksack vorstellen, indem der viereckige Roboter zum Asteroiden transportiert wird. Diese Rucksack-Sonde heißt „Hayabusa2“. Der Name „Hayabusa“ stammt aus dem Japanischen und heißt übersetzt „Wanderfalke“. Die Raumsonde wurde von der japanischen Weltraumagentur JAXA gebaut. Sie war ganze 4 Jahre unterwegs, bis sie den Asteroiden Ryugu erreichte!

Zwei unterschiedliche Geräte erforschen Ryugu:
- Die Sonde Hayabusa2 umkreist den Asteroiden für fast zwei Jahre und erkundete ihn zunächst aus der Ferne. Später nimmt das Raumschiff Bodenproben auf dem Asteroiden, die im Jahr 2020 zurück zur Erde mitgenommen werden.
- Der Lander MASCOT untersucht die Temperatur, das Magnetfeld des Asteroiden und macht Fotos von der Oberfläche. Lander nennt man allgemein alle Sonden, die auf einem Himmelskörper landen können, um dort Wissenschaft zu betreiben.
Warum gerade dieser Asteroid?
Es gibt viele Asteroiden in unserem Sonnensystem. Einer davon ist der diamantenförmige Ryugu. Er ist ein sehr ursprünglicher Asteroid, etwa einen Kilometer im Durchmesser groß. Er kann uns Auskünfte darüber geben wie alles begann, über den Ursprung des Alls und Hinweise darauf, wie das Leben auf der Erde entstanden ist. Denn darüber gibt es bisher nur Theorien, also Vermutungen. Außerdem ist dieser Asteroid ein so genanntes „erdnahes Objekt“. Ryugus Flugbahn kommt der Erdbahn um die Sonne nämlich sehr nahe. Der geringste Abstand zwischen den beiden Bahnen beträgt nur etwa 100.000 Kilometer. Das ist – rein kosmisch betrachtet – ziemlich nahe an uns dran! Solche Gesteinsbrocken müssen untersucht und beobachtet werden, damit sie keine Gefahr für unseren Planeten darstellen. Als MASCOT im Oktober 2018 auf dem Asteroiden landete, war er übrigens 300 Millionen Kilometer von der Erde entfernt.
MASCOTs Ausstattung
MASCOT erforschte mit vier Geräten die Oberfläche des Asteroiden:
- Kamera: schießt Bilder von der Oberfläche des Asteroiden.
- Radiometer: misst indirekt über die Strahlung die Temperatur. Wenn man Temperaturen kennt, kann man Rückschlüsse über die Bodenbeschaffenheit ziehen, denn Gesteine leiten Wärme unterschiedlich: je dichter ein Gestein ist, desto besser leitet es die Wärme!
- Magnetometer: gibt Auskunft über ein vorhandenes Magnetfeld. Man kann über ein Magnetfeld Rückschlüsse auf das Alter des Asteroiden ziehen. Die Erde hat auch ein Magnetfeld, daher zeigt die Nadel eines Kompasses immer nach Norden!
- Spektrometer: lässt Rückschlüsse auf die unterschiedlichen Gesteine zu, aus denen Ryugu besteht.
Jetzt kommt Schwung in die Bude!
Für eine erfolgreiche Messung müssen MASCOTs Messinstrumente auf den Asteroidenboden zeigen, sonst tappen sie im Dunkeln – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Box landete zunächst falsch herum auf Ryugu. Ups? Nein, keine Sorge. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der eckige MASCOT zunächst auf einer „falschen“ Seite auf der Oberfläche zum Stillstand kam. Ulrich Köhler ist Planetengeologe am DLR-Institut für Planetenforschung. Er vergleicht MASCOTs „Ausrollen“ bei der Landung mit „dem Ausrollen von einem Würfel auf dem Spielbrett“. Der Lander hat genauso viele Seiten wie ein 6-er-Würfel. Probiere mal aus mit einem 6-seitigen Würfel, immer eine 6 zu würfeln – das wäre die richtige Landeposition für deinen Lander. Das haut nicht hin, oder? Das kann nicht mit Sicherheit klappen, weil es noch die 5 anderen Seiten des Würfels gibt.

Für diesen Fall hat MASCOT ein geniales Extra eingebaut. Durch einen im Inneren der Box eingebauten Schwungarm war MASCOT in der Lage seine Position zu verändern. Er konnte sich für die Messungen richtig herum drehen und sich hüpfend über die Oberfläche fortbewegen, um verschiedene Orte auf Ryugu zu erkunden.
Hayabusa2 sammelt Proben wie ein Staubsauger!
Die Raumsonde Hayabusa2 erreichte den Asteroiden bereits im Sommer 2018. Insgesamt 18 Monate lang umkreist die Sonde den Asteroiden. Im Jahr 2019 wird Hayabusa2 unterschiedliche Proben sammeln, die voraussichtlich Ende 2020 zur Erde zurückgebracht werden. Es sind zwei Probennahmen von Material der Oberfläche geplant und eine dritte Probennahme, bei dem der Oberflächenstaub „weggesprengt“ wird, so dass man an das ursprüngliche Material darunter herankommen kann. Die Raumsonde wird für diese Probennahme einen so genannten „Impaktor“ auf Ryugu fallenlassen. Es entsteht ein Krater, durch den man an Material aus tieferen Asteroiden-Schichten herankommt. Spannend: In der Nacht vom 21. Auf den 22. Februar 2019 erfolgte bereits die erste erfolgreiche Probename!
Mach ein kleines Asteroiden-Experiment: Lass eine Murmel (dein „Impaktor“) in ein Häufchen Mehl (deine Asteroidenoberfläche) plumpsen. Was geschieht?

Das Mehl spritzt auf und es entsteht ein Krater. Lass einen Erwachsenen den Staubsauger halten und ein wenig von der Mehl-Probe aufnehmen (am besten die niedrigste Saugstufe verwenden).
In Wirklichkeit wird das ähnlich gemacht: Die Raumsonde nimmt die Proben mit einer Art Rohr auf, ähnlich wie beim Staubsauger zuhause. Die Proben werden sorgfältig in einem hitzebeständigen Gefäß verstaut, um für den Weg zurück zur Erde gewappnet zu sein. Die Hitze beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre (also in unsere Lufthülle) müssen Proben unbeschadet überstehen.
Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre entsteht viel Reibung und dadurch eine sehr große Hitze. Probiere es selber einmal aus, indem du schnell deine Hände aneinander reibst! Was geschieht? Die Handflächen werden warm.
Wie fühlen sich die Forscher bei Weltraum-Missionen?
An Weltraum-Missionen sind oft Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus vielen verschiedenen Ländern der Erde beteiligt. Sie alle stecken viel Zeit und Energie in ihre Missionen. Kurz nach MASCOTs Landung darf ich einige Mitarbeiter zum Projekt befragen. Ich treffe die Wissenschaftler vor dem Kontrollraum, in dem unaufhörlich Datenströme aus dem All auf die Computer übertragen werden. Die Stimmung ist gelöst, alle Mitarbeiter freuten sich über die gelungene Landung.
Prof. Dr. Ralf Jaumann arbeitet beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Institut für Planetenforschung und Planetengeologie. Er ist für die Kamera an Bord verantwortlich (MASCAM), die am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde.
Ulrike: „Herr Jaumann, wie fühlen Sie sich?“
Prof. Dr. Jaumann: „Erst gut, nach der Separation nicht so gut, jetzt wieder gut.“ Herr Jaumann strahlt begeistert über das ganze Gesicht. Das Wort „Separation“ bedeutet „Trennung“. Die Minuten des Wartens nach der der Separation der beiden Geräte MASCOT und Hayabusa2 voneinander waren sehr aufregend, erklärt er. Minuten angespannten Daumendrückens bis MASCOTs Ankunft auf der Oberfläche folgten. Dann die große Erleichterung: Landung geglückt! Die ersten Bilder des Asteroiden sind da. Herr Jaumann erzählt, dass MASCOT für die Messungen zunächst ungünstig lag. Daher hat das Team bereits einen ersten „Mini-Sprung“ für eine bessere Lage veranlasst.
Ulrike: „Können Sie die Sprunghöhe vor einem geplanten Sprung einschätzen?“
Er antwortet, dass dies schwierig sei: „Der Lander scannt zunächst seine Umgebung, jeden Felsbrocken in seiner Nähe. Erst dann, wenn ein klares Bild seiner Umgebung entstanden ist, kann er springen. Die maximale Sprunghöhe beträgt etwa 10 Meter.“ Diese recht hohe Sprunghöhe war der vermutete Wert, in Wirklichkeit sprang MASCOT nur 2 bis 3 Meter hoch, erklärt er später.
Ulrike: „Warum hat MASCOT seine spezielle eckige Form und ist beispielsweise nicht abgerundet?“
Prof. Dr. Jaumann: „Dadurch haben wir mehr Platz für die Experimente.“ Jeder Winkel von MASCOT wird ausgenutzt, um Elektronik unterzubekommen. Wäre MASCOT abgerundet oder hätte gar eine ganz andere Form, wäre weniger Platz für Messinstrumente. Er versichert mir, dass die Ecken des Landers beim Aufprall keinen Schaden nehmen: da auf Ryugu fast keine Schwerkraft vorhanden ist, hat MASCOT dort kaum ein Gewicht.
Herr Prof. Dr. Glaßmeier ist Geophysiker an der Technischen Universität Braunschweig. Er ist für MASCOTs Magnetometer zuständig, das an der TU Braunschweig entwickelt wurde. Ich möchte gerne wissen, warum man das Magnetfeld des Asteroiden untersucht. Durch die Daten eines eventuell vorhandenen Magnetfeldes kann man „Archäologie des frühen Sonnensystems“ betreiben, erklärt er. Bei der Entstehung unseres Sonnensystems war das Magnetfeld der Sonne nämlich anders ausgerichtet als heute. So kann man feststellen aus welcher Zeit Ryugu stammt.
Am Ende erzählt mir Herr Prof. Dr. Jaumann noch, dass mögliche Landeplätze nach Kindergeschichten benannt wurden. „Kinder sind unsere wichtigste Zielgruppe. So haben wir bei der internationalen astronomischen Vereinigung nachgefragt, ob wir Namen von Kindergeschichten verwenden dürfen.“ Eines dieser Märchen war „Alice im Wunderland“. Nach dieser Geschichte benannte das Team MASCOTs Landeplatz.
Ich finde diesen Namen sehr passend. In diesen spannenden Stunden fühlen sich wahrscheinlich alle Anwesenden ein wenig wie Alice in der Geschichte, die zum ersten Mal ihr „Wunderland“ betritt: MASCOT sendet Bilder aus einer uns vollkommen fremden Welt. Staunend blicken die Forscher sich um.
Bizarre Landschaft im All: Ryugu zeigt sein Gesicht
Alles ist sehr zerklüftet und scharfkantig, die Bilder zeigen schroff aufragende Felsen und andere Gesteinsbrocken. MASCOT ist in einer sehr unwirtlichen Umgebung gelandet. Überraschen ist die Tatsache, dass sich auf dem Asteroiden kein Staub befindet.

Die Mission war ein voller Erfolg. MASCOT sendete sogar über die geplanten 16 Stunden hinaus Daten zur Erde, Hayabusa2 nimmt erfolgreich Proben. In den kommenden Monaten und Jahren werden internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit diesen Angaben weiter arbeiten. Anhand dieser Daten werden sie den Antworten nach wichtigen Fragen um die Entstehung unseres Sonnensystems wieder einen Schritt näher kommen.
Die Erforschung der Wunder unseres Sonnensystems geht weiter.