Astro-Alex ist wieder da!

Rückkehr aus dem All: Astro-Alex ist wieder da!

Ulrike Krings Rocha

Um kurz vor 6:00 Uhr klingelt am 20.12.18 mein Wecker. Es ist Donnerstagmorgen. Ich möchte gerne weiterschlafen, aber das geht nicht. Ich muss dringend nachsehen, ob der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst mit seinen beiden Kollegen die Internationale Raumstation ISS wie geplant verlassen hat und ob alle wohlbehalten auf der Erde gelandet sind. Also springe ich aus dem Bett und schalte den Computer an. Ich surfe auf die Homepage der NASA, auf der ein Live-Stream alles über die Rückkehr zu mir ins Wohnzimmer überträgt. Gebannt sehe ich, dass die Kapsel bereits sicher auf dem Erdboden steht. Hochkant hat sie aufgesetzt, irgendwo in der weiten Kasachischen Steppe. Der erste Astronaut steckt bereits seinen Kopf durch die Luke. Die Öffnung der Sojus-Kapsel ist rund und eng, die Luke geht nach innen auf. Die Raumfahrer müssen nacheinander aus dem kleinen Raumschiff herausgezogen werden, was nur so groß ist wie ein Altglascontainer.
Astro-Alex wird von den Helfern als Letzter aus der Landekapsel in Empfang genommen. Er setzt eine Mütze auf den Kopf. In Kasachstan herrschen Minusgrade, es liegt Schnee. Alle drei Astronauten sind wohlauf. Ich bin verblüfft wie fit Alexander Gerst so kurz nach der Landung ist. Die Reise zurück zur Erde ist für Raumfahrer sehr anstrengend. Der Kapsel-Aufprall auf der Erde muss sich so ähnlich anfühlen wie ein Unfall zwischen einem LKW und einem PKW bei hoher Geschwindigkeit – die Astronauten sitzen bei diesem Vergleich übrigens im PKW. Nach wenigen Minuten gibt Astro-Alex bereits sein erstes Interview für die anwesende Presse. Er spricht über den Geruch des Schnees und der Erde, den er über ein halbes Jahr lang nicht gehabt hat. Man sieht ihm an, dass er glücklich ist wieder auf der Erde zu sein.
Die drei Astronauten sind bereit für den Weiterflug in ihre Heimatländer, wo sie in den kommenden Wochen und Monaten Rehabilitationsmaßnahmen mit viel Sport und medizinischen Untersuchungen durchlaufen werden.

Am Landeplatz in der Steppe gibt Alexander Gerst sein erstes kurzes Interview (links). Mit ihm gelandet sind seine amerikanische Kollegin Serena Auñón-Chancellor (rechts) und der russische Kollege Sergei Prokopiev (mittig). Im Hintergrund steht die Kapsel unter einem Gerüst. Bild: NASA – B. Ingall

Willkommen zuhause: Astro-Alex landet auf dem Flughafen Köln-Bonn
Von Kasachstan aus geht die Reise für Alexander Gerst weiter über Norwegen zum Flughafen Köln-Bonn. Das Flugzeug soll auf dem militärischen Teil des Flughafens landen. Es sind viele Leute gekommen, um den deutschen ESA-Astronauten zu begrüßen, darunter Freunde, Kollegen und Leute von der Presse. Wir begeben uns zu einem gekennzeichneten Teil des Rollfeldes, während sich aus der Ferne das Flugzeug nähert. Aufgeregt plaudern alle miteinander. Die Maschine landet und rollt in seine Standposition direkt vor uns. Alle schauen erwartungsvoll zum Flugzeug hinüber. Es ist ganz still, als sich die Flugzeug-Tür öffnet. Sportlich steigt Astro-Alex die Treppe am Flieger herunter. Alle staunen, denn das ist eine ganz schöne Leistung, wenn man gerade einen halbjährigen All-Aufenthalt hinter sich hat. Auf der ISS herrscht Schwerelosigkeit, so dass immer alles schwebt. Auf der Erde hingegen herrscht die Schwerkraft. Wenn ein Raumfahrer wieder auf der Erde landet, muss sich der Körper wieder umstellen. Das ist so ähnlich wie bei Seeleuten, die nach vielen Monaten auf See wieder an Land kommen. Herr Gerst hat sich offenbar sehr schnell umgewöhnt, er schwankt nicht das kleinste bisschen! Mit großem „Hallo“ wird Astro-Alex begrüßt und nimmt sich Zeit, ein paar Fragen zu beantworten. Er berichtet, dass die Landung besser war als seine Letzte, es war wie man so schön sagt eine „Bilderbuch-Landung“. Wenn man auf der Erde landet, fühlt es sich wegen der Schwerkraft auf einen Schlag an, als hätte alles das Vielfache seines eigentlichen Gewichts. So fühlt sich sein Handy zum Beispiel an „wie mit Blei gefüllt“, berichtet er.
Obwohl leichter Nieselregen einsetzt, empfindet er das Wetter als sehr angenehm: „Ich rieche den Boden und den Regen, ich mag das total, darauf habe ich mich gefreut!“ Was er sagt rührt mich, denn darüber habe ich noch nie nachgedacht. Stellt euch vor, wie es wäre über ein halbes Jahr lang kein Wetter zu haben, keine Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren. Aus der Sicht eines Astronauten, der viele Monate lang fern unseres Planeten gelebt hat, führt uns Alexander Gerst vor Augen wie schön und besonders unser Planet ist – sogar wenn es regnet. Daran denke ich jetzt immer, wenn ich meinen Schirm vergessen habe.

Astro-Alex gibt ein Interview am Flughafen Köln-Bonn. Bild: ESA – J. Harrod

Arbeiten und Leben auf der ISS: Alexander Gerst erzählt
Zwei Tage nach seiner Rückkehr zur Erde, am Samstag, den 22.12.2018, erzählt Astro-Alex auf seiner ersten großen Pressekonferenz was er alles auf der Internationalen Raumstation ISS erlebt hat. Die Pressekonferenz findet im Europäischen Astronautenzentrum in Köln statt.
Maus und Elefant aus der „Sendung mit der Maus“ waren natürlich wieder mit dabei auf der Raumstation, oben im Weltraum. Wie ist es ihnen ergangen? Sie sind wohlauf, die Maus ist mit Astro-Alex zusammen im Sojus-Raumschiff zur Erde zurück gereist, der Elefant „hat Verlängerung beantragt, der fliegt in einem SpaceX 16 Transporter zurück, der war zu schwer für die Sojus,“ erzählt uns Astro-Alex schmunzelnd. Im Februar werden alle vereint sein, Maus, Elefant und Astro-Alex. Auch die Ente wird dabei sein, die vom Boden aus „mitgefiebert“ hat, fügt er hinzu.
Astro-Alex ist selber überrascht wie schnell er sich wieder an die Bedingungen auf der Erde gewöhnt hat. Das Gleiche gilt auch für den umgekehrten Fall, nach einer Reise in den Weltraum. Bei seinem zweiten Besuch auf der ISS ging die Umgewöhnung an die Schwerelosigkeit sogar schneller als beim ersten Mal. Er stellt fest: „Das ist wie Fahrradfahren, das verlernt man nicht.“ Alex hat durch intensives Sporttreiben auf der Raumstation noch mehr Muskelmasse aufbauen können. Viel Sport ist für Raumfahrer notwendig, weil sich unter dem Zustand der Schwerelosigkeit die Knochen und Muskeln schneller abbauen als auf der Erde. Er rät: „Das Sportprogramm sehr ernst nehmen.“ Über Weihnachten hat Alexander Gerst ein paar Tage frei. Er nimmt sich vor „Liegestütze unterm Weihnachtsbaum“ zu machen, denn auch zuhause auf der Erde muss das 2- bis 3-stündige tägliche Sportprogramm weitergehen.

Alexander Gerst erzählt von seinem Arbeitsplatz im All. Bild: ESA – I. Kapusniak

Ohne Kollegen auf der ganzen Welt gäbe es keine ISS
Alexander Gerst bedankt sich bei allen Mitarbeitern des Europäischen Astronautenzentrums und den internationalen Partnern: „Raumfahrt ist eine Gesamtleistung des Teams,“ sagt Astro-Alex. Ohne die durchgehende Betreuung durch Kollegen am Boden würden die Menschen auf der Internationalen Raumstation weder wissen, wie man die Experimente durchführen kann, noch was in Notsituationen zu tun ist. Er fügt hinzu:„Man kann nicht mal eben zum Baumarkt fahren, wenn etwas nicht passt“. Wohl wahr.
Wenn wir zusammenarbeiten, erreichen wir mehr. Ein Land alleine könnte sich niemals eine solch große Raumstation leisten. Internationale Projekte stellen mit den unterschiedlichen Kulturen der Partner eine Bereicherung dar, weil wir alle voneinander lernen können, weiß Herr Gerst. Die Crew-Mitglieder auf der ISS stammen aus den verschiedensten Ländern unseres Planeten und arbeiten und leben im Weltraum friedlich miteinander zusammen. Sie gehen mit gutem Beispiel für das Leben auf der Erde voran. Wusstet ihr übrigens, dass ein Kosmonaut das gleiche ist wie ein Astronaut? „Kosmonaut“ sagt man in Russland, in Europa sagen wir „Astronaut“.  Und seitdem China auch Raumfahrer hat, kommt ein neuer Begriff hinzu: „Taikonaut“.